6. Verantwortung übernehmen

Eine Gesellschaft, die nach dem EGO-Prinzip funktioniert, braucht nichts dringlicher als Menschen, die sich dem Gemeinwohl verpflichtet fühlen und bereit sind, dafür Verantwortung zu übernehmen. Insbesondere in Führungspositionen sind Mitbürgerinnen und Mitbürger gefragt, die aus christlicher Motivation und im Horizont christlicher Wertvorstellungen handeln und auch – wo nötig – Konflikte eingehen können, wenn Menschenwürde und Gerechtigkeit bedroht sind und Menschen zum Mittel statt zum Zweck werden. Deshalb gehört zur Bildung im evangelischen Sinne die Einübung in verantwortliches Handeln konstitutiv dazu.

Im EGN beginnt diese Einübung mit kleinen Gesten der Verantwortungsübernahme: Die Schülerinnen und Schüler werden angehalten, pfleglich mit dem Inventar und den (teilweise hochwertigen) Geräten, den Räumen und dem Gebäude umzugehen, Müll zu vermeiden bzw. zu entsorgen und auf Sauberkeit und überschaubare Ordnung in ihren Klassenräumen zu achten. Sie sollen den Wert der Mahlzeiten achten und die Arbeit der Landfrauen, des Hausmeisterteams, der Sekretärinnen wertschätzen. Selbstverständlich übernehmen die Klassen 5-7 die notwendigen Tischdienste. Sie präsentieren ihre Schule an Tagen der offenen Tür der Öffentlichkeit, führen neue Schülerinnen und Schüler der Klasse 5 in die Schule ein und arbeiten im Schülercafé mit.

Verantwortung übernehmen die Schülerinnen und Schüler aber auch im Bereich der Planung, Organisation und Durchführung besonderer Schulveranstaltungen. Ein Beispiel dafür ist der jährlich stattfindende EGN-Pentathlon – das größte Schulsportfest im Kalender des EGN. Dabei sind die als EGN-Schulsportassistenten ausgebildeten Schülerinnen und Schüler sowohl in die Planung, Organisation, Durchführung und Auswertung dieser sportlichen Großveranstaltung einbezogen und tragen für das Gelingen der Veranstaltung ein Höchstmaß an Verantwortung. Tatkräftig unterstützt werden Sie bei ihrer Arbeit vom schuleigenen Sanitätsdienst, um im Unglücksfall eine Erstversorgung zu gewährleisten. EGN-Verkehrshelferinnen und -helfer unter tatkräftiger Beteiligung von Eltern gewährleisten den sicheren Schulweg. In der Spieleausleihe unterstützen Schülerinnen und Schüler ab der sechsten Klasse in den Pausen den Verleih von Spielen an Mitschülerinnen und Mitschüler. Schüler-Admins übernehmen im schuleigenen Netzwerk Verantwortung für die digitale Lernwelt und unterstützen sowohl (jüngere) Schülerinnen und Schüler als auch Lehrkräfte. Alle genannten Schülerhelferdienste werden im Rahmen von Projekten im Zuge des Ganztagsangebots am EGN geschult und ausgebildet.

Service Learning am EGN

Verantwortung für sich und andere übernehmen bedeutet immer auch, andere Menschen in ihrer Unterschiedlichkeit zu akzeptieren und sich für seine Mitmenschen einzusetzen. Aus diesem Grund spielt das Service Learning eine wichtige Rolle am EGN. Service Learning ist eine Lehrmethode, die fachliches Lernen an Schulen oder Hochschulen mit gesellschaftlichem Engagement verbindet. Das Ziel ist es, gesellschaftliches Engagement von jungen Menschen in den Schulalltag zu integrieren und mit Unterricht zu verknüpfen. Die Erfahrungen, die die Schülerinnen und Schüler hierbei machen, werden im Unterricht aufgegriffen, reflektiert und mit Unterrichtsinhalten verknüpft. In unseren Service-Learning-Projekten wird schulisches Lernen grundlegend anders als im „normalen“ Unterricht organisiert. Die Projekte sind nicht eine außerschulische, extracurriculare Veranstaltung, sondern sind der Schulunterricht selbst. Die Schülerinnen und Schüler eignen sich so neben fachlichen Kenntnissen auch soziale Kompetenzen an - wie Aufgeschlossenheit Fremden gegenüber, Empathiefähigkeit und Toleranz. Durch die Kommunikation und Zusammenarbeit mit ganz unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen entstehen soziale Bindungen.

So gibt es seit dem Schuljahr 2012/2013 am Evangelischen Gymnasium Nordhorn ein sozial-diakonisches Praktikum, das von den Schülerinnen und Schülern des 9. Jahrgangs unterrichtsbegleitend über den Zeitraum eines Schuljahres absolviert wird. Nach einer ausführlichen Einführungsphase nehmen die Jugendlichen im Zeitraum von November bis Mai an Nachmittagen oder am Wochenende in einem Umfang von ca. 50 Stunden pro Schuljahr an der Arbeit von Einrichtungen der Diakonie und Wohlfahrt teil. Dazu gehören z.B. Kindertageseinrichtungen mit Integrationsgruppen, Einrichtungen der Jugendhilfe, Alten- und Altenpflegeheime, Diakonie- und Sozialstationen (ambulante Pflege), Beratungsstellen und Einrichtungen für Menschen in besonderen sozialen Lebenslagen (Wohnungslose), Selbsthilfegruppen und –initiativen sowie Migrationsdienste und Einrichtungen für Menschen mit Behinderungen. Die Schülerinnen und Schüler sollen Menschen in besonderen Lebens- oder in Notlagen kennen lernen, um Berührungsängste abbauen und Empathie für andere entwickeln zu können. In einer schulöffentlichen Veranstaltung präsentieren die Schülerinnen und Schüler ihre Erfahrungen und werten sie aus.

Die „Herausforderung“ in Jahrgang 10 ist ein weiterer Baustein des Service Learning. Herausforderungen lassen uns, gleich welchen Alters, wachsen, sie befördern unsere Anstrengungsbereitschaft, wecken Entdeckungsfreude, fordern unseren Wagemut und stärken unser Verantwortungsgefühl und Selbstbewusstsein. Dass Herausforderungen somit auch an die Schule gehören und sich Schülerinnen und Schüler mit diesen konfrontiert sehen sollen, erscheint in diesem Sinne nur folgerichtig. Junge Menschen müssen fern klassischer Unterrichtsstrukturen die Gelegenheit bekommen, auf Grundlage ihrer Interessen – also intrinsisch motiviert – zu entdecken und zu experimentieren, sei es bspw. ästhetisch, sportlich, wissenschaftlich, kulturell, handwerklich, musisch-künstlerisch oder sozial. Indem sich die Schülerinnen und Schüler ihrer selbst gewählten Herausforderung stellen und in gleicher Weise Momente des Gelingens, aber auch Misslingens erfahren, bilden sie eine Vielfalt an Talenten und Persönlichkeiten aus. Unterrichtsbegleitend bereiten die Schülerinnen und Schüler ihre „Herausforderung“ vor, die sie – begleitet durch Studierende – über eine Woche durchführen und im Anschluss daran evaluieren und präsentieren.

Das Projekt „Engagement in der Schule“ (EiS) komplettiert seit dem Schuljahr 2018/2019 die Profil- und die Projektleiste des Ganztagsangebots am EGN im Sinne einer angestrebten Progression in der Entwicklung von Eigenständigkeit und Verantwortung im Jahrgang 11. EiS stellt dem Anspruch nach die höchste Stufe der Verantwortungsübernahme in Eigenständigkeit dar. Leitende Idee des Projektes ist es, dass sich die Schülerinnen und Schüler weitgehend eigenständig und nur passiv begleitet für die Schule engagieren, z. B. Verantwortung für ein schulisches Angebot übernehmen, das die Schule entweder für die eigene Schülerschaft einrichtet (Projekte, AGs, Pausenangebote, Profile, Lernbegleitung, Coaching im Projekt Herausforderung, Sportangebote u.v.m.) oder der außerschulischen Öffentlichkeit entgegenbringt (Unterstützung von Gemeindearbeit, Pfadfindergruppen oder auch Partnern aus dem SDP des 9. Jahrgangs in vertiefender und noch eigenständigeren Form). Für dieses Engagement kommen grundsätzlich alle pädagogischen Angebote des Ganztagssystems infrage. Die Schülerinnen und Schüler können im Zuge des Projekts beispielsweise ein Angebot einer Lehrkraft oder auch externer pädagogischer Mitarbeiter der Schule unterstützen. In besonderen, gut begründeten Ausnahmefällen können auch andere Möglichkeiten zum EiS mit der Schulleitung vereinbart werden (z.B. Wettbewerbsteilnahmen im schulischen Interesse, Austauschprojekte, Schülerbotschafter etc.). Weiter sind die Schülerinnen und Schüler des 11. Jahrgangs eingeladen, selber Vorschläge für neue Angebote im Ganztagssystem am EGN einzubringen. Der zeitliche Umfang entspricht 53,5 Zeitstunden im Zuge beider Halbjahre der Jahrgangsstufe 11. In vielen Fällen findet inzwischen auch eine außerschulische Qualifizierung von Schülerinnen und Schülern statt, die den Wunsch haben, Lerngruppen im Ganztag alleine zu betreuen. Voraussetzung dafür ist der Erwerb der Jugend-Leiter-Card oder bei sportlichen Angeboten die Übungsleiter-C-Lizenz.

Das für die Qualifikationsphase zu wählende Seminarfach, das fächerübergreifend und fachverbindend angelegt ist, enthält ethische Komponenten (Wirtschaftsethik, Medienethik, Umweltethik, Sozialethik, Individualethik), die einen Schwerpunkt bei der Auswahl und Formulierung der Facharbeiten bilden. Im Fachunterricht werden ethische Fragestellungen vertiefend behandelt.