Rede der Lehrkräfte

Als ich im Frühjahr gefragt wurde, ob ich diese Rede halten möchte, war meine Reaktion zunächst einmal etwas zurückhaltend,

nun stehe ich hier, begrüße euch liebe Abiturientinnen und Abiturienten und auch Sie sehr geehrte Eltern, Verwandte, und Freunde, liebe Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, kurzum alle Wegbegleiter...

und ich weiß wieder, warum ich zunächst gezögert habe - man fühlt sich wieder wie ein Schüler, der seine Hausaufgaben vortragen muss.

Nach dieser ersten Zurückhaltung machte ich mich aber frohen Mutes an die Bewältigung meiner Aufgabe. Aber was war meine Aufgabe? Das galt es erst einmal herauszufinden, denn so viele Abireden habe ich in meinem Leben noch nicht gehört: Das Credo bei Kollegen und auch im Internet war einhellig. Zunächst schaut man auf gemeinsame Erinnerungen zurück und dann findet man weise Worte für die Zukunft der Schüler und Schülerinnen – klingt machbar, dacht' ich mir

Aber da gab es auch schon das erste Problem: Gemeinsame Erinnerungen – nun bin ich erst seit zwei Jahren an dieser Schule, mir war also klar, dass ich mich auf Spurensuche machen musste, wenn ich die Vergangenheit beleuchten wollte

Mein erster Weg auf dieser Spurensuche führte mich also zu diesem Foto…

Den ein oder anderen habe ich wiedererkannt, die meisten haben sich aber sehr entwickelt... einige sogar zum positiven. So auch Timm Averes-Neumann. Erzählte mir meine Kollegin Frau Forstreuter doch, dass sie in ihrer allerersten Stunde in dieser Klasse fragte, ob Moskau in Asien oder Europa liege. Timm und sein Nachbar kamen darüber so sehr in Streit, dass sie diese Frage mit Händen und Füßen auf dem Boden klären mussten. Heute weiß ich aus eigener Erfahrung, dass Timm sich mittlerweile in Diskussionen auch mit Worten wehren kann – eine reife Entwicklung.

Eine zweite Spur in die Vergangenheit zeigt dieses Foto....

Auch auf diesem Bild sind einige der anwesenden Abiturienten versammelt. Damals wart ihr ein Jahr zusammen in einer Klasse, das EGN war nicht mehr ganz neu, das Abitur und die heutige Veranstaltung aber in weiter Ferne. Trotzdem habt ihr damals schon den Grundstein für den heutigen Tag gelegt und das nicht nur, indem ihr Englischvokabeln gepaukt oder Matheaufgaben gerechnet habt. Nein viel mehr, weil ihr zueinander gefunden habt, gelernt habt einander zu helfen, gelernt habt aufzustehen, aufeinander zuzugehen, miteinander umzugehen.

Dieses gilt sicher auch für meine dritte Spur.

Dieses Foto führte mich auch zu einem fast schon historischem Dokument, welches auf diese Klasse zurückzuführen ist

Ich zitiere also aus den Geschenk der Klasse an Frau Bradtmöller:

 

Zum Dank an Frau Bradtmöller

Als Klassenlehrerin stezhen Sie für uns zum letzten mal hier

für die letzten drei tollen Jahre danken wir.

Erinnern Sie sich noch – wie alles hat angefangen?

Im August 2009 sind wir alle zum ersten Mal zum EGN gegangen

Zuvor hatten wir von Ihnen den ersten Brief bekommen,

als Klassenlehrerin der 5a haben Sie sich unser angenommen“

 

Als ich diese Verse zum ersten mal las, war ich begeistert. Gekonnt wurden hier alternierende Paarreime mit syntaktisch-metrische Verwerfungen aneinander gekoppelt, um die Aufregung jener Zeit herauszustellen. Eine Aneinanderreihung komplizierter Inversionen bei gleichzeitig parataktischem Satzbau zeigt die Unruhe jener intensiven Lebensepoche der Autoren. Ein wahres Meisterwerk.

Schon damals zeigte sich also das hohe Potential, welches in euch steckte und euch schließlich hierher geführt hat. Leider zeigten sich aber auch schon andere Veranlagungen, die ihr bis heute beibehalten habt – so gibt Jonas Roters etwa auf die frage, was ihn individuell ganz besonders macht, an, dass er gerne mit Stuhl kipple – etwas, was sich bis heute nicht geändert hat.

Naja, die Jahre zogen nun so ins Land: Gespannt folgtet ihr den montäglichen Andachten, ihr übernahmt als Klassensprecher, Verkehrshelfer oder Klassenpaten Verantwortung, besuchtet gemeinsam den Kirchentag und konntet durch sozialdiakonisches sowie Berufspraktikum auch in das echte Leben, abseits des EGNs schnuppern. Und auch hierzu bin ich bei meiner Spurensuche auf interessante Dinge gestoßen: Machten einige Schülerinnen Praktika, wie ich sie erwartet hätte – etwa Leonie im Theather oder Niels im Autohaus, war ich bei anderen schon erstaunter: Zum Beispiel zeigte mir Audrey als Archäologin ein Bild, welches ich so noch nicht vermutet hätte – so ist das manchmal, wenn man Schüler nur aus dem Unterricht kennt.

Besonders interessierte mich bei diesem Teil der Spurensuche aber der Praktikumsplatz von Kira. Immerhin hast du, liebe Kira, unter eine Aufgabe zu den Möglichkeiten eines Eingreifens der UNO in internationale Krisen geschrieben, ich solle aufgrund der Beantwortung der Frage zur internationalen Friedenspolitik bitte nicht sauer sein, schließlich willst du ja später nicht bei der UNO arbeiten. Nun habe ich von Herrn Hoffmann erfahren, dass es dich damals in den Kindergarten zog, um Erfahrungen im pädagogischen Bereich zu sammeln, vielleicht die bessere Wahl. Was es jetzt schlussendlich aber wirklich wird, werde ich im Laufe des Tages sicher noch erfahren….

Schließlich führte mich meine Spurensuche zu dem Moment, in dem die heiße Phase startete, die 11 Klasse – jeder Punkte zählte. All eure Energie gehörte ab sofort nur noch dem Lernen, den Büchern und Formelsammlungen, aufmerksam folgtet ihr stillschweigend den weisen Worten eurer Lehrer und so scheint es auch wenig verwunderlich das die Organisation des heutigen Tages – und damit auch verbunden die Finanzierung – zunächst etwas in den Hintergrund rückte...

Ein weiterer Grund hierfür war sicherlich auch die Kursfahrt. Und hierbei kann ich erstmals nicht nur auf Spuren zurückgreifen, sondern bin selbst so etwas wie ein Zeitzeuge. Ich entsinne mich, wie ich einst an einem Freitag Morgen von Dorothee gefragt wurde, ob ich eine rechtliche Situation beurteilen könnte. Wir hatten gerade den Syrienkonflikt näher betrachtet und kurzfristig dachte ich – naiverweise – es folge eine tiefgehende völkerrechtliche Frage. Vielmehr wolltet ihr aber wissen, ob man – rein rechtlich – auf Kursfahrten den Alkohol trinken dürfe. Auf einmal guckten mich 20 Schülerinnen und Schüler interessiert an und lauschten WIRKLICH meinen Worten – ein neues Gefühl. Anstatt eines klaren Neins lamentierte ich in meinem jugendlichen Leichtsinn etwas herum, versuchte aber deutlich zu machen, dass dies natürlich eine Schulveranstaltung ist, wo dieses unangebracht ist…. Es dauerte nur zwei Stunden, bis Herr Grossmann auf mich zukam, und mich fragte, wie ich denn auf die Idee käme, seinen Schülern zu erlauben, auf Seminarfahrt Alkohol zu konsumieren. Ich fragte mich in diesem Moment ernsthaft, wie viel von dem, was ich im Klassenraum vorne so erzähle, WIRKLICH bei Euch ankommt – auf der anderen fand ich es tröstlich, dass zumindest eure Interpretationskompetenz tief verwurzelt ist, das ist ja auch nicht ganz verkehrt. Es tat aber schließlich den Kursfahrten keinen Abbruch und so wurden es doch schöne Tage in Krakau, München oder auch Wien. Und am Ende kamen Sternenlogbücher, Modelle der bereisten Städte oder Reiseberichte dabei heraus, die auch uns Lehrern viel Freude bereiteten.

Erst in einem enormen Schlussspurt, in dem auf einmal das Üben für das Vorabitur und letzte Klausuren sowie die Organisation drumherum koordiniert werden mussten, habt ihr schließlich den heutigen Tag sowohl durch eure schulischen Leistungen als auch durch euren Einsatz ermöglicht. Das wird sicher bei dem ein oder anderen von euch Spuren hinterlassen haben, der ein oder andere wird die Spuren des heutigen Tages aber auch erst morgen früh spüren -

Aber es ist geschafft, 12 Jahre Schule – zumindest wenn man fix war – sind vorbei und somit auch meine Spurensuche. Ihr werdet nun das EGN verlassen, ins Ausland gehen, ein Studium oder eine Ausbildung anfangen, später eine Familie gründen. Ihr werdet weiter eure Spuren hinterlassen, so wie ihr sie am EGN hinterlassen habt, in eurem Leben und in den Leben anderer. Aber ich möchte euch, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, noch einen Rat mit auf dem Weg geben. Haltet ab und zu einmal innen und schaut euch an, welche Spuren ihr hinterlassen habt, sucht eure eigenen Spuren, jeder von euch hat eigene Erinnerungen an die Schulzeit. Sich diese bewusst zu machen kann in manch stressiger Situation helfen, in manch traurigem Moment Trost spenden. Und wer seine Spuren kennt, dem steht der Weg zurück immer offen – zurück zum EGN, zurück zu euren Familien, zurück nach Nordhorn.

Haltet aber auch manchmal inne, um zu überlegen, welche Spuren ihr zukünftig hinterlassen wollt. Wie soll die Zukunft aussehen, welche Eindrücke möchte ich hinterlassen? Denn letztendlich besteht so ein Lebensweg nicht nur aus den Spuren, die man hinterlassen hat, sondern auch aus den Schritten und Spuren, die man noch machen wird. Und bei diesen Schritte wünsche ich euch im Namen aller Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zum Ende viel Kraft, Mut und die richtige Portion Glück.

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Matthias Finke
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