Sportporträt Lena Börner – Zwischen Abschied und Neuanfang

29. September 2025

Es ist Samstag, der 13. September 2025. Vor der Halle des Euregiums fragt sich ein Passant, warum heute keine der ansässigen Handballmannschaften im Euregium spielt und deren Partie wegen der Landesmeisterschaft Akrobatik auf eine Nachbarhalle verlegt werden musste. Dieses Unverständnis zeigt, welchen Stellenwert die Akrobatik in der Nordhorner Sportlandschaft genießt, obwohl mit Lena Börner und Paula Rakers zwei Akrobatinnen hier beheimatet sind, die in den letzten Jahren den Sprung in die Weltspitze des Akrobatiksports geschafft haben.

Lena und Paula betreten heute zum letzten Mal gemeinsam den Hallenboden, um ihre Akrobatikküren in den Kategorien Balance und Dynamik zu zeigen. Mit diesem Tag geht ein sportliches Kapitel für beide zu Ende, da Paula ihre aktive Karriere beendet und sich stärker in die Rolle der Trainerin beim VfL Weiße Elf einbringen wird. „Es ist nur ein turnerischer Abschied, privat und im Verein sind wir weiterhin eng verbunden“, sagt Lena.

Im Verlauf ihrer Küren in den Kategorien Balance und Dynamik merkt man beiden nicht an, dass dies ihr letzter gemeinsamer Auftritt ist. Die Bewegungen sind routiniert und die Küren verlaufen reibungslos. Am Ende des Tages dürfen sich beide noch einmal über den Landesmeistertitel freuen.

Kindheit, Anfangsjahre und erste Hürden

Den Start in die Akrobatik beschreibt Lena bescheiden: Bereits beim Kinderturnen des TVN fiel ihr auf, dass ihr Bewegungen leichter fielen und sie „andere Dinge konnte als die anderen Kinder“. Erst auf Anregung einer befreundeten Trainerin kam sie ins Akrobatiktraining – und dort direkt in die anspruchsvollste Gruppe. Schon früh fiel Lena auch hier durch ihre außergewöhnliche Beweglichkeit auf – besonders die Rückbeuge, die in ihrer Kür zum Markenzeichen geworden ist: „Das kann bei uns im Verein niemand so wie ich“, erzählt sie nicht ohne Stolz. Solche individuellen Elemente können den entscheidenden Unterschied machen: „Bei der WM und der EM konnten das auch nicht alle. Es ist immer gut, etwas zu zeigen, das nur wenige beherrschen“. Daneben prägten Trainingsdisziplin und schnelle Fortschritte von Anfang an ihre Entwicklung. Immer wieder musste sie neue Partnerinnen integrieren, bis mit Paula eine langfristige und vertraute Formation entstand. Schnell stellten sich Erfolge ein, die auch die Aufmerksamkeit des Bundestrainers auf sich zogen. Der entscheidende Karriereschritt gelang, als beide überraschend zu einem Sichtungslehrgang des Bundestrainers eingeladen wurden. „Wir dachten, das sei einfach ein gemeinsames Training – am Ende war es eine Sichtung zur Aufnahme in den Bundeskader“, erzählt Lena. Es folgte die WM 2024 in Portugal, die sie auf dem neunten Platz beendeten. Im Jahr 2025 nahmen sie an der EM in Luxemburg sowie am World Cup in Baku und Aalen teil, den sie auf dem vierten Platz abschlossen.

Wettkampfroutinen und Rückschläge

Lena beschreibt die Routine vor großen Wettkämpfen als eingespielt: „Wir wärmen uns immer etwa eine Stunde vorher auf, gehen die Kür nochmal langsam durch – aber ohne anstrengende Elemente, damit wir noch genug Power haben.“ Ihre größte mentale Unterstützung ist das Visualisieren: „Ich stelle mir die Übung im Kopf vor, wie alles klappt.“ Diese Technik hat sie sich angeeignet und empfiehlt sie auch anderen Sportlerinnen und Sportlern.

Das sportliche Leben ist für Lena aber nicht nur von Erfolgen geprägt. Enttäuschungen wie der Sturz bei ihrer ersten Europameisterschaft oder phasenweise aufkommende Zweifel gehören ebenfalls dazu: „Es gab schon Momente, in denen ich dachte: Wie lange will ich das noch machen? Gerade wenn der Druck hoch ist und man bei einem Wettkampf nicht zeigen kann, was man draufhat. Aber jedes schlechte Erlebnis macht einen mental stärker – bei den nächsten Trainings üben wir die Stelle einfach noch intensiver.“

Neue Wege und Zukunftspläne

Mit dem Abschied von Paula steht auch ein Neustart an. Lenas neue Partnerin Sophia, die größer als Paula ist, bringt neue Möglichkeiten ins Training. „Wir haben schnell festgestellt, dass wir zusammenpassen, auch weil privat die Chemie stimmt. Es gibt neue Elemente, neue Erfahrungen, und das gibt mir noch einmal einen Schub“, erzählt Lena voller Vorfreude von der anstehenden Zusammenarbeit. „Nach einem sehr guten Jahr möchte ich vielleicht noch einmal einen draufsetzen – das motiviert enorm.“

Trotz aller Erfolge betrachtet Lena die Akrobatik weiterhin als Hobby, das sie zwar fordert, aber nicht einengt: „Klar geht manchmal Training vor Freizeit – vor allem in der Wettkampfphase. Aber ich habe nie das Gefühl, dass mich die Akrobatik in meinem Leben grundlegend einschränkt. Im Gegenteil: Der Sport hat mir viel Gelassenheit, Selbstbewusstsein und ein erwachsenes Auftreten geschenkt.“ Diese Erfahrungen, gerade im Zusammenspiel mit älteren Partnerinnen oder im internationalen Wettbewerb, prägen auch ihr Alltagsverhalten: „Ich wirke vielleicht manchmal entspannter als andere – das habe ich vom Sport gelernt.“ Daneben spricht Lena auch über den Rückhalt durch Eltern, Familie, ihre Trainerin Rebecca Haase-Witte und Freunde, die für sie entscheidende Wegbegleiter*innen sind. Jungen Sportler*innen rät Lena vor allem, authentisch zu bleiben und auf sich und ihr eigenes Gefühl zu hören: „Verfolgt euren Traum, aber erkennt auch, wann Schluss sein sollte – nicht jeder Weg ist gleich.“

In diesem Sinne wünschen wir Lena, dass sie noch lange Spaß an der Akrobatik hat und der Zeitpunkt zum Aufhören bei ihr noch in weiter Ferne liegt. Wir wünschen ihr in ihrem neuen sportlichen Abschnitt mit Sophia alles Gute und viel Erfolg.

Ansprechpartner

Matthias Hardt
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