Der folgende Beitrag wurde am Evangelischen Gymnasium Nordhorn anlässlich des Gedenkens im Jahr 2020 an den 09.11.1938 erstellt. Es handelt sich um Teil 3 von 6. Jeder Beitrag steht für sich, aber alle Beiträge ergeben ein Ganzes.
In diesem Beitrag geht es nicht um eine jüdische Familie. Es geht um ein Gebäude, nämlich die Nordhorner Synagoge: Das Zentrum des jüdischen Lebens in Nordhorn. Die Synagoge war nicht nur ein Gotteshaus, sondern auch ein Lehrraum und ein Versammlungsort für die Gemeinschaft.
Nach der Machtübertragung an die Nationalsozialisten 1933 änderte sich für die Juden in wenigen Jahren alles. Auch in Nordhorn. Unmittelbar nach dem Machtantritt kam es zu einer ersten Pogromnacht, bei der Nationalsozialisten die Nordhorner Synagoge aufbrachen und die komplette Einrichtung verwüsteten. Obwohl der Vorsitzende der Gemeinde, Salomon de Vries, Anzeige erstattete und die Täter ermittelt wurden, gab es nie ein Urteil.
Wir sprechen von einer Zeit, in der Unrecht wissend zugelassen wurde.
In der Nacht vom 9. auf den 10. November im Jahr 1938 kam es zum Höhepunkt der Judenverfolgung. In Nordhorn wurde die Synagoge nicht wie in vielen anderen Städten Deutschlands angezündet. Die Nordhorner Bürger waren sogar ausdrücklich dagegen, die Synagoge abzubrennen. Aber nicht aus Mitleid oder Mitgefühl, sondern aus Angst um ihre eigenen Wohnhäuser. Denn hätte man die Synagoge angezündet, hätte das Feuer womöglich auf die umliegenden Häuser übergegriffen. Daher nahmen sich 20-30 SA-Männer Bauwerkzeuge eines örtlichen Bauunternehmens und fingen an, die Synagoge abzureißen.
Gegen die Zerstörung wurde nichts unternommen. Aber eine ordentliche und sichere Durchführung im Interesse des eigenen Besitzes, das war den Anwohnern wichtig.
Für die Zerstörung der Synagoge musste jedes Mitglied der jüdischen Gemeinde in Nordhorn Abbruchkosten von 250 Reichsmark zahlen. Die Juden in Nordhorn durften sich erst die Zerstörung ihrer Synagoge ansehen und mussten sie dann bezahlen.
Ein Vorgang dieser Art ist sicherlich nicht nur nach heutigen Maßstäben widerwärtig.
Außerdem war der Vorsteher Salomon de Vries gezwungen, das Grundstück für einen Spottpreis von 544 Reichsmark zu verkaufen. Das Synagogengrundstück wurde der jüdischen Gemeinde nie wieder zurückgegeben.