Jugendliche im regen Austausch mit Kantorin Jalda Rebling

16. Juni 2022

Zunächst noch etwas zaghaft, dann aber immer lauter stimmten die Schülerinnen und Schüler des 11 Jahrgangs in den Halleluja-Gesang von Jalda Rebling ein, den sie zur Begrüßung der Zuhörer in der Mensa des Evangelischen Gymnasiums Nordhorn anstimmte. Die jüdische Kantorin und Schauspielerin, die 1951 in Amsterdam geboren und in Ostberlin aufgewachsen ist, kommt an diesem Tag in Nordhorn mit den Jugendlichen zusammen, um sich über jüdisches Leben in Deutschland auszutauschen und ihre erlebnisreiche Biografie vorzustellen. Geboren wurde Rebling als Tochter von Lin Jaldati und Eberhard Rebling, und wenn man ihr zuhört merkt man schnell, dass schon die Biografien ihrer Eltern sie von klein auf geprägt haben. Beide waren während ihrer Zeit in Amsterdam im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Nachdem ihr Versteck am 10.Juli.1944 entdeckt und geräumt wurde, konnte ihr Vater in den Untergrund fliehen, für Mutter Lin und ihre Schwester Janny begann aber eine Odyssee durch die Lager Westerbork, Auschwitz und Bergen-Belsen, während der sich auch eine Freundschaft mit Anne und Margot Frank entwickelte. Ihr Bruder Jacob sowie die Eltern wurden vergast, Lin und Janny überlebten.

Reblings Eltern trafen sich in Amsterdam wieder, und siedelten mit ihrer Tochter 1952 in die DDR. Ihr Ziel war es ein besseres Deutschland aufzubauen, für Rebling bedeutet dies aber eine Kindheit in einem fremden Land mit einer - zunächst - fremden Sprache. Dies war für die heutige Kantorin nicht immer einfach, so berichtet sie bewegend darüber, wie sie als Zehnjährige von ihrem Lehrer aufgefordert wurde, über die Erfahrungen ihrer Eltern im Konzentrationslager zu berichtet, eine Frage, die sie in diesen frühen Jahren nicht beantworten konnte. Heute sei es für sie entscheidend jüdisches Leben in Deutschland als vielfältig zu demonstrieren. Weder sollten Jüdinnen und Juden auf eine Opferrolle reduziert noch vermeintlich exotische Merkmale des jüdischen Lebens in den Vordergrund gestellt werden. Vielmehr läge ihr daran zu zeigen, wie beglückend es sei, im Alltag jüdisch zu leben.

Aus den frühkindlichen Erfahrungen resultierte auch eine Auseinandersetzung, die auch von anderen immer wieder an sie herangetragen wurde: Wie kann sie nach all dem erlebten und ihr berichtetem Leid noch an Gott glauben? Für sich hat Rebling hier mittlerweile ganz klar die Antwort gefunden, dass nicht Gott verantwortlich ist für die Dinge, die Menschen einander antun, sondern allein der Mensch selbst. Nicht Gott sei der Schuldige für Leid und Ungerechtigkeit, sondern vielmehr sei Gott nach jüdische Glauben immer bei seinem Volk, hat also das Leid im dritten Reich mit der jüdischen Bevölkerung mit-empfunden. Die Schechina, also die Einwohnung Gottes unter den Menschen, wird von ihr als wohnend im Volk Israel begriffen.

Im Austausch mit den Schülerinnen stellte sich schnell heraus, dass diese vor allem interessierte, wie Rebling als emanzipierte Kantorin zu einer vermeintlichen Frauenfeindlichkeit in der Hebräischen Bibel (dem sogenannten „Alten" Testament im Christentum) stehe. Rebling betonte, dass die Überlieferung der Heiligen Schrift aber auch deren Auslegung lange patriarchal geprägt gewesen sei und sich deswegen oftmals diese Lesart durchsetzte. Sie selbst aber sehe das Studium der Tora als stetige Interpretationsaufgabe, die es auch zulasse eine feministische geprägte Lesart zu favorisieren, die mit ihren Vorstellungen vom Leben einhergehe, sich aber auch mit ihrer Lebenserfahrung immer wieder geändert habe. Ein Kennzeichen jüdischen Lebens sei die offene Diskussion, ja auch der Streit über die richtige Auslegung.

Abschließend wollten die Jugendlichen wissen, ob der Plan ihrer Mutter, ein besseres Deutschland zu schaffen, für Rebling vollendet sei. Dies sieht die Kantorin allerdings durchaus kritisch, da Selbstbestimmung und ein friedliches Miteinander noch immer nicht so verbreitet sind, wie sie sich dieses vorstellt. Auch dies ist ein Grund, warum Rebling auch mit 70 Jahren noch gerne in den Austausch mit der Jugend geht, da diese die Zukunft noch gestalten können.

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