Das Schulprogramm des EGN gründet auf einem prägnanten evangelischen Bildungsverständnis. „Hauptzweck aller Bildung ist die Entwicklung der Person.“[1] Nach evangelischem Verständnis ist die Einzigartigkeit des von Gott geliebten Geschöpfes der Ausgangspunkt jeder Bildung. Ihr gebührt uneingeschränkte Achtung und Wertschätzung[2]. In diesem Sinne geschieht Bildung um des einzelnen Menschen willen: der lernende Mensch bedarf der Bildung, weil er Gottes Ebenbild ist[3]. Die biblische Tradition ist
„von der Überzeugung bestimmt, dass jeder Mensch ein Talent hat; jedem Menschen sind Gaben anvertraut, die er entfalten kann. Ihn zu fördern, bedeutet, ihm dabei zu helfen, dass diese Gaben ans Licht kommen. Niemand ist von solcher Förderung ausgeschlossen. Das ist ein Gebot der Gerechtigkeit, die deshalb vor allem anderen als Befähigungsgerechtigkeit zu verstehen ist. Bildung (...) soll Menschen dazu befähigen, Subjekt ihrer eigenen Lebensgeschichte zu werden, indem sie ihre Begabungen zum Zuge bringen.“ [4]
Menschen stehen nach biblischer Sicht in einem Beziehungsgefüge zu Gott, zu ihren Mitmenschen, aber auch zur Natur und Kultur. Bildung ist daher immer auch auf Gemeinschaft bezogen und befähigt zur Übernahme von Verantwortung für sich selbst und für andere. „Verantwortungsbewusste Mündigkeit“[5] als Ziel der Bildung im evangelischen Sinn meint daher „den Zusammenhang von Lernen, Wissen, Können, Wertbewusstsein, Haltungen (Einstellungen) und Handlungsfähigkeit im Horizont sinnstiftender Deutungen des Lebens“[6]. Deshalb gilt:
„Die religiöse, philosophisch-ethische und diakonische Dimension von Bildung, die auf Sprach- und Dialogfähigkeit in religiösen und ethischen Fragen, auf Mündigkeit im Glauben sowie auf Mitempfinden und Mithilfe gegenüber dem Anderen setzt, gehört zum Kern des Bildungsauftrags einer jeden Bildungseinrichtung.“[7]
Ein solches Bildungsverständnis grenzt sich ab gegen jeden Versuch, das Lernen in der Schule zu reduzieren auf ökonomische Leistungserwartungen und an Bedürfnisse des Marktes und Erfordernisse gesellschaftlicher Funktionalität anzupassen. Es bildet einen Gegenpol zu einer auf die globale Konkurrenz ausgerichteten Lern- und Wissensgesellschaft, die Kinder und Jugendliche fit macht für ihre künftige Verwendung. Stattdessen beharrt es darauf, dass Bildung mehrdimensional angelegt sein muss, auf lebensförderliche Inhalte („Orientierungswissen“[8]) achtet und dem Einzelnen Zeit lässt, nachzudenken, sich zu entwickeln, eigene Wege zu finden und zu gehen.
Das EGN hat dieses grundlegende Bildungsverständnis in einem mit allen an der Schulentwicklung Beteiligten abgestimmten Prozess in vier Leitziele ‚übersetzt’, die gemeinsam das verpflichtende Leitbild der Schule ausmachen.
- Kompetenzen fördern
- Individualität achten
- Gemeinschaft stärken
- Verantwortung übernehmen
[1] Rat der EKD: Maße des Menschlichen. Evangelische Perspektiven zur Bildung in der Wissens- und Lerngesellschaft. Eine Denkschrift, Gütersloh 2003, 71.
[2] Vgl. Kundgebung der 11. Synode der EKD 2010: „Niemand darf verloren gehen!“ Evangelisches Plädoyer für mehr Bildungsgerechtigkeit.
[3] Kammer der EKD für Bildung und Erziehung, Kinder und Jugend: Gute Schule aus evangelischer Sicht. Impulse für das Leben, Lehren und Lernen in der Schule, Hannover 2016 (EKD-Texte, Nr. 127), S. 8.
[4] Wolfgang Huber: "Junge Generation und Arbeit: Chancen erkennen - Potenziale nutzen" - Festrede zur Verleihung des Carl-Bertelsmann-Preises 2005 in Gütersloh. (http://www.ekd.de/vortraege/huber/050908_huber_bertelsmann_preis.html)
[5] Rat der EKD: Maße des Menschlichen, 61.
[6] Rat der EKD: Maße des Menschlichen, 66.
[7] Kundgebung der 11. Synode der EKD 2010: „Niemand darf verloren gehen!“, 5.
[8] Vgl. "Wissen - Werten - Handeln. Welches Orientierungswissen gehört zur Bildung?" Statement des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Dr. Wolfgang Huber beim Bildungskongress 03. Mai 2004, Berlin. In: Orientierungswissen in Evangelischer Perspektive. (http://www.ekd.de/vortraege/huber/38092.html)