Rede der Schulleitung I

Rede von Frau Dr. Obst

Liebe Abiturientinnen und Abiturienten,

liebe Gäste,

 

Flieg hinaus – einmal kommt der Tag und ihr verlasst das Nest...flieg hinaus und breite deine Flügel aus du wirst sehen, dass du getragen wirst. Flieg hinaus, lass dich einfach tragen von dem Wind unseres Gottes, er trägt dich viel weiter, viel weiter als du denkst.

Dieses Lied ist vor 8 Jahren beim Eröffnungsgottesdienst, an eurem ersten Schultag hier am EGN also, gesungen worden. Zur Erinnerung. Ein kleiner Ausschnitt aus dem Gottesdienst. (bis 1,37)

Flieg hinaus – einmal kommt der Tag und ihr verlasst das Nest. Spätestens heute ist dieser Tag da: ihr verlasst die behütete Umgebung des EGN, die euch – auch wenn euch das zuweilen genervt hat – immer auch einen Schutzraum gegeben hat. Ihr verlasst vielleicht bald eure Elternhäuser und die Stadt, in der ihr aufgewachsen seid und fliegt – hoffentlich - hinaus in die Weite der Welt.

Wenn man euch auf den Bildern von vor 8 Jahren sieht und euch heute vor Augen hat, dann kann man erahnen, was dazwischen alles passiert ist. Kleine Kinder, deren Pubertät noch vor ihnen – und vor den Eltern und uns Lehrern stand – damals. Und heute: erwachsene junge Menschen, die mit Selbstbewusstsein, wachem Verstand und offenem Herzen in die Welt ziehen.

Wir sind stolz auf euch. Nicht nur wegen eurer hervorragenden Abiturleistungen, aber auch:

Bis auf einen sind alle Schüler zum Abitur zugelassen worden und alle haben das Abitur bestanden. Unser Anspruch als Schule war und ist es, alle (!) Schüler bestmöglich zu fördern und zu unterstützen. Manchmal habt ihr selbst, aber auch wir Lehrer und vermutlich auch eure Eltern daran gezweifelt, ob wir diesem Anspruch gerecht werden können. Manch einer hat vielleicht zwischendurch gedacht, ob es nicht einen einfacheren Weg geben könnte – z.B. in einer anderen Schulform. Und in der Hochphase eurer Pubertät als ihr uns mit Ganzkörperanzügen, zerschossenen Lampen und verhauenen Lateinarbeiten beinahe täglich beschäftigt habt, hätten nur wenige Kollegen und Eltern auf ein so umfassend positives Ergebnis gesetzt. Dieses rundweg positive Ergebnis bestätigt euer Leistungsvermögen, den langen Atem von Schule und Elternhaus und – das wage ich nun doch zu behaupten – unseren pädagogischen Ansatz. In diesem so positiven Gesamtergebnis ragen nun einzelne nochmals hervor. Pia Kramer, Laura Strieker und Lukas Heils haben alle drei das Traumergebnis von 1,0 erreicht. 16 Schüler insgesamt haben einen Abiturdurchschnitt unter 2,0. Gratulation! Ganz besonders hervorheben möchte ich aber auch die Schülerinnen, die von Realschulen und sogar von einer Hauptschule erst in der 10. Klasse zu uns gewechselt sind: auch ihr habt alle euer Abitur erfolgreich bestanden.

Eine Pädagogik, die alle fördern will, schließt also besonders gute Leistungen keinesfalls aus. Starke und schwache Schüler zu fördern und zu fordern sind keine Gegensätze! Abschulen und Aufgeben sind keine pädagogischen Maximen!

Ich bin sehr dankbar, dass wir bei unserem ersten Abitur von der Landesschulbehörde begleitet wurden. Jede Arbeit wurde von einem Fremdprüfer begutachtet, Herr Märkl war als Prüfungsvorsitzender bei fast allen mündlichen Prüfungen dabei – ich danke ihm für seine souveräne Begleitung und Unterstützung. Diese Außenprüfung, das sogenannte Dezernentenabitur, schützt dieses hervorragende Ergebnis unserer Abiturientinnen und Abiturienten vor jedwedem Verdacht, dass wir es euch zu leicht gemacht hätten. Fast 20% von euch haben einen Schnitt unter 2,0 und 30% einen Schnitt unter 2,5 – das ist ein Ergebnis, das sich auch landesweit sehen lassen kann und über das wir uns sehr freuen können.

Neben ein wenig Stolz und viel Freude ist es aber besonders Dankbarkeit, die mich bewegt: Wir haben keine furchtbaren Unglücke erlebt und niemand von euch ist so schwer erkrankt, dass er die Schule nicht beenden konnte. Im Gegenteil: Zwei von euch haben in der Qualifikationsphase neues Leben in die Welt gesetzt – Kim und Lennart wir freuen uns mit euch! Ihr macht das großartig!

Ich bin euch aber auch dankbar, dass ihr euch so auf das EGN eingelassen habt, wie ihr es getan habt: ihr habt euch in ganz vielfältiger Weise engagiert – als Schülersprecherin, in der SV, bei unserer Sommerserenade, bei der Vorbereitung von Festen und zahlreichen Konzerten, bei der Unterstützung von syrischen Flüchtlingen und nicht zuletzt bei der generalstabmäßigen Planung eurer Abiturfestivitäten. So viel Professionalität müssen andere nach euch erst mal schaffen. Nicht zu Unrecht hat eine Schülerin eures Jahrgangs den EGN-Award für besonderes Engagement für die Schule erhalten: Beispielhaft für alle anderen danke ich Dir, liebe Antonina, an dieser Stelle noch mal ausdrücklich.

Ich danke euch aber auch dafür, dass ihr euch immer wieder auf die neuen Dinge eingelassen habt, die wir in eurer Schulzeit – manchmal vielleicht auch zu eurem Leidwesen – neu erfunden haben. Ihr wart immer die ersten: bei den Profilen, beim Sozial-diakonischen Praktikum, bei der Auflösung der Klassen in der 10, beim dualen Studien- und Berufspraktikum, bei der individuellen Wahl von Tutorinnen und Tutoren und und und. Ihr wart manchmal kritisch, aber ihr habt Entscheidungen immer mitgetragen. Manchmal hat es euch auch gestört, dass wir immer wieder andere Wege eingeschlagen haben als andere Schulen und ihr habt euch gewünscht, dass wir es auch mal so machen wie „die anderen“. Ich hoffe aber sehr, dass ihr im Laufe der Zeit gemerkt habt oder es in absehbarer Zeit merken werdet, dass diese besonderen Wege euch gedankliche Weite eröffnet haben und euch zugleich mit umfassenden Verantwortungsbewusstsein ausgestattet haben. Wir wollten euch zu keiner Markenware formen, sondern euch dabei helfen, euch zu kreativen und unangepassten Persönlichkeiten zu entwickeln, die in dieser Welt und für unsere Gesellschaft Verantwortung übernehmen, weil sie wissen, woher sie kommen und was ihrem Leben Orientierung gibt.

Dankbar bin ich aber auch euren Eltern: sie hatten damals den Mut, euch auf diese Schule zu schicken. Sie wussten ja noch nicht, wohin die Reise mit dem EGN geht. Sie haben einiges an Auf- und Ab miterlebt und sich bestimmt das eine oder andere Mal gefragt, ob ihre Entscheidung richtig war. Bestimmt haben einige auch Zweifel daran gehabt, ob ein so junges Kollegium wie das unsere eigentlich wirklich in der Lage ist, ihre Kinder durch das Abitur zu bringen. Oft genug mussten sie sich auch in der Öffentlichkeit befragen lassen und haben zu uns, dem EGN gestanden. Und ganz bestimmt haben sie manchmal über uns geschimpft oder konnten Entscheidungen, die wir getroffen haben, nicht wirklich einsehen. Wenn wir Fehler gemacht haben – und wir werden Fehler gemacht haben – dann bitte ich Sie aufrichtig um Entschuldigung. Sie haben Mut bewiesen und Tatkraft: Sie waren immer zur Stelle, wenn es galt Hand anzulegen und sich für das EGN zu engagieren. Ohne sie gäbe es keinen Schulgarten, keinen Erweiterungsbau und auch nicht unser Schulprogramm, das wir zusammen mit ihnen entwickelt haben. Eigentlich müssten eure Eltern alle noch mindestens ein Jahr bleiben, damit sie alle erleben, wie die Sporthalle, die wir uns alle schon lange wünschen, gebaut wird. Stellvertretend für alle Eltern danke ich Hermann Kramer, der vom ersten Tag an als Schulelternratsvorsitzender die Geschicke des EGN mit gelenkt hat. Ich bin Dir, Hermann auch ganz persönlich dankbar, für Deinen Rat in schwierigen Situationen, für die Unterstützung und für viele gute Gespräche.

Dankbar bin ich aber auch für die Unterstützung der Kirchen – der beiden Landeskirchen, aber auch der Kirchengemeinden vor Ort. Sie haben uns dabei geholfen, das evangelische Profil unserer Schule zu schärfen und es uns durch Ihre Förderung ermöglicht zu zeigen, was gute Schule aus evangelischer Perspektive ausmacht. Dass bei uns in der Grafschaft auch Politik und Verwaltung den Aufbau unserer Schule in vorbildhafter Weise unterstützt haben, ist keineswegs selbstverständlich. Dies ist auch – lieber Herr Kethorn – Ihrem persönlichem Engagement für das EGN geschuldet, für das ich Ihnen hier in aller Form danken möchte.

Dankbar bin ich aber auch für die kritische, aber stets solidarische Begleitung unseres Beirates. Wer neue Wege geht, braucht Weggenossen, die vor Um- und Abwegen warnen, die auch manchmal das Laufen unterbrechen und Stopp rufen, die aber insgesamt gemeinsam unterwegs für eine gute Schule sind. Stellvertretend für alle Beiratsmitglieder danke ich Ihnen, lieber Herr Herrenbrück für die Begleitung in den letzten fünf Jahren.

Ob ihr uns Lehrern dankbar sein werdet, das kann ich nicht beantworten. Ich weiß noch nicht einmal, ob man das so kurz nach Ende der Schulzeit erwarten oder erhoffen kann. Ich jedenfalls bin dankbar über Kolleginnen und Kollegen, die den besonderen Weg dieser Schule mitgehen, die sich für die Sache, die sie lehren und für die Schüler gleichermaßen einsetzen und die in den letzten Monaten und Wochen unglaublich intensiv gearbeitet haben. Ohne dieses Kollegium wäre das Abitur nicht so verlaufen wie es verlaufen ist und weil für viele Kolleginnen dieses Abitur genau wie für Sie, liebe Abiturientinnen und Abiturienten, das erste war, sind wir heute mindestens ebenso glücklich wie Sie. Organisatorisch hat unser Oberstufenkoordinator, Herr Gastler, der mittlerweile mein Stellvertreter ist, Unglaubliches geleistet und Frau Imhorst hat uns bei diesem ersten Abitur stets umsichtig begleitet und unterstützt. Unsere Hausmeister haben die Räume hervorragend hergerichtet und unser Schulassistent für stets funktionierende Technik gesorgt. Allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sage ich: Danke!

Flieg hinaus – einmal kommt der Tag und ihr verlasst das Nest. Wohin wird euer Flug gehen? Für viele von euch ist das – so habe ich es in zahlreichen Gesprächen von euch gehört – noch schwer zu sagen. Und das ist gut so. Nichts wäre fürchterlicher als wenn euer Lebensweg schon jetzt so vorgezeichnet wäre wie es in einem berühmten Lied von Pete Seegers, einem der großen Liedermacher der Bürgerrechtsbewegung Amerikas ausgedrückt wurde. (Lied Seegers).

And thy all look just the same – so wie ich euch kennengelernt habe, steht das nicht zu befürchten. Denkt quer! Sucht euren eigenen Weg! Last euch nicht einpressen in Erwartungen und Konventionen! Behaltet euren eigenen Kopf! Das wünsche ich euch von ganzem Herzen und hoffe, dass wir euch so gefestigt haben, dass „ticky tacky“ nicht eure Option ist.

Ansprechpartner

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Dr. Gabriele Obst
Tel.: 05921 30830-0
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